Mittwoch, 20. Oktober 2010

Deutschland blutleer?




Thilo Sarrazin - etwas blutleer


Wer Fakten aufzählt und darüber schreibt, tut etwas Nützliches, etwas das allen nützt, es sei denn, die Fakten sind ein wenig getürkt, sind selektiert, statischen Statistiken entnommen, ohne diese im Einzelnen genau zu überprüfen und ohne zu fragen, ob mögliche ergänzende Statistiken überhaupt auch fehlen. Sarrazin hat den großen Schritt vom Beamten zum selbständigen Autoren gewagt. Wie viel von Sarrazin ist trotzdem in den Beamten-Schuhen stecken geblieben? Wie viel in seinen Texten ist rechthaberisch steif, spaltend, anklagend, Beamten-frustriert und auch weltanschaulich engstirnig?

Nun hat der Bundes-Präsident in der Türkei eine Rede gehalten, die ähnlich beschaffen war, etwas blutleer. Nur auf Rechte und Pflichten im Staat zu verweisen, ist zu wenig. Mehr Toleranz gegenüber christlichen Gemeinden in muslimischen Ländern anzumahnen war dagegen richtig und notwendig - und trotzdem fehlte in der Rede die Verknüpfung von Bürger-Pflichten in einem Staat und multikultureller Realität. Die Verknüpfung lautet: Religionen sind in einem Staat dann konstruktiver Bestandteil, wenn sie sich gegenseitig unterstützen, statt sich zu bekriegen, da sie gemeinsam Menschen-freundliche Inhalte haben, die auf denselben historischen Quellen beruhen. Diese gilt es heraus zu stellen, um Menschen- und Tier-feindliches Geschehen in einem Land zu überwinden, unabhängig von der Herkunft der Täter.

Perverse Zivilisations-Krankheiten mit gewalttätigen und sehr grausam praktizierten Auswirkungen, Sodomisten-, Satanisten- und Sadisten-Clubs zum Beispiel, die im Geheimen agieren, Extremisten an den äußeren politischen Rändern, die an den mühsam errichteten Fundamenten der freiheitlich-demokratischen Ordnung sägen, potentielle Terroristen schon mit oder noch ohne entsprechend Hass-erfüllter Ausbildung, die alle, politisch oder religiös motiviert, das Leben Unschuldiger für ihre Ziele zu opfern bereit sind, organisierte Kriminalität, international gesteuerte Mafia, Wirtschafts-Kriminalität unter dem gesellschaftlichen Krebs-Geschwür namens Korruption, diktatorische Macht-Konzentrationen mit illegalen Macht-Ansprüchen und -Praktiken unter dem Deckmantel der Demokratie oder dem Schutzmantel einer Religion, Drogenhandel, Missbrauch der heiligsten und natürlichsten Eigenschaften des Menschen zu kommerziellen Zwecken, Missbrauch von Kindern, pervertierte Religion oder Ideologie, brutale Gewalt innerhalb von Familien und so weiter und so fort - die negativen Kräfte in unserer Gesellschaft wie auch in anderen westlichen, östlichen oder fernöstlichen Ländern sind so gewaltig, so erstickend, so beraubend, so rücksichtslos, so uferlos, dass säkularisiertes Rechtswesen und Läuterung durch alle Religionen offenbar nicht ausreichen, um das alles zu verhindern und einzudämmen.

Die Statistiken als Grundlage für die These, Deutschland schaffe sich ab, sind ebenfalls nicht gerade Menschen-freundlich, sondern grenzen ab und diffamieren, wenn sie selektiert sind und sachlich notwendige Statistiken gar nicht erstellt und selbstverständlich erst recht nicht ausgewertet wurden.

Grob geschätzt fehlen mindestens folgende Statistiken:

  • Wie viele Male wurde das Asylrecht aufgrund egoistischer Wähler-Stimmen-Kalkulation von Parteien durchlöchert, so dass die Falschen das Land überschwemmten?
  • Wie groß sind die Zahlen unschuldiger Immigranten-Familien, die aufgrund von Fehl-Entscheidungen deutscher Politik eine existenzielle Odyssee hinter sich haben und auf ein Abstell-Gleis geschoben wurden?
  • Wie groß ist die Anzahl qualifizierter Immigranten, die in Deutschland aufgrund falscher Politik ihrer Chancen beraubt wurden?
  • Wie groß ist die Anzahl derjenigen Familien, die aufgrund einer falsch verstandenen angeblichen Leitkultur, jetzt wieder das Schaukel-Pferd der Merkel, diffamiert und ausgegrenzt wurden? Anmerkung1

Ein Staat benötigt ein Menschen-freundliches Miteinander seiner Bürger, befreundete Staaten benötigen Politiker, die diesen Punkt unterstützen. Dann schafft sich keines der Länder ab, dann profitiert eines vom anderen und kann seine Kultur, inspiriert über seine Grenzen hinaus, aufblühen lassen.

Aufblühen? So wird in der derzeitigen National-Hymne denn gesungen: "Blüh im Glanze dieses Glückes". Die selektierte und nun vereinzelte, aus dem Zusammenhang gerissene dritte Strophe zeigt für sich genommen aber nicht, was nationales "Glück" bedeutet und warum die Nation in einem "Glanze" "blühen" kann. Somit ist die Isolierung eine Fälschung, die abstrakten Begriffe in der ersten Zeile ebenfalls eine blutleere Aufzählung, kitschiges Wunschdenken Anmerkung2, abstrakte Statik, die jeder interpretieren kann, wie er will. Die CDU mit Ost-CDU-Schlagseite der Merkel interpretiert: des glücklichen Volkes Einigkeit mündet in ihrer umgewandelten und zu unrecht als Volkspartei propagierten CDU. Was geschieht aber mit dem rechten Glück der CDU? Schwindsucht, Knochenschwund, Blutleere, die CDU läuft aus.

Die Nation-Hymne dagegen strotzt vor Leben in bestem nationalen Sinne, weil das patriotische Feuer von Hofmann von Fallersleben und die Zusammengehörigkeit der Strophen darin erhalten blieben, nationalistisch interpretierter Gehalt trotzdem entfernt wurde. Da wir zurzeit keine Vollblut-Politiker an der Spitze haben, kümmert sich niemand um den Text. Vielmehr zieht die heraus gerissene dritte Strophe die Blutleeren an, die mit politischer "Einigkeit", mit dieser herausgekehrten Eröffnung der National-Hymne, kulturelle Vielfalt liquidieren. Die sieben Strophen der Nationhymne werden gar nicht erst gelesen oder sie werden schön unzitiert ausgeschlachtet, wie seinerzeit durch Horst Köhler in seiner ersten Berliner Rede (die Presse reagierte erstaunt: "Horst WER?").

Statt kulturelle Vielfalt mit politischer "Einigkeit" zu liquidieren öffnet die siebte Strophe der Nation-Hymne die Perspektive der Welt:

Unsre Heimat tief im Herzen
reichen wir der Welt die Hand.
Menschenrechte, Würde, Wissen
sind das einigende Band.
Hohe Werte auf Terrassen
der Geschichte dieser Welt
wollen lernend wir erfassen!
Strahle Deutschland, strahl wie Gold!

Leider kommt man in einer Hymne um ein wenig Pathos nicht herum. Wer Deutschland würdigen will, kommt aber auch um die permanente historische Inspiration aus dem Ausland nicht herum. Menschen wie der medizinische Wissenschaftler Professor Klaus Heyne, der Deutschland in medizinischen Fachzeitschriften auch der USA blendend vertritt, pilgern noch heute auf den Pfaden Goethes, auf seinen Wanderwegen über die Alpen nach Italien, um die Inspiration von außen im Werk eines deutschen Dichters nachzuempfinden. Ich erwähne Professor Heyne, mit dem ich in Wiesbaden viele schöne Gespräche führen durfte, um ihn für seine Verdienste für das Bundes-Verdienstkreuz vorzuschlagen.

Inzwischen haben wir uns, lieber Leser, allein im letzten Absatz, von der Blutleere von oben weit entfernt.


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Anmerkung1

Besser der Begriff "Leitkultur" wäre gar nicht erst erfunden worden. Ein undefinierter vager Begriff soll Leitlinie werden. Menschen sollen wie von Blinden-Hunden geführt, geleitet werden. Was "Kultur" dann ist, wird von oben bestimmt. Das Wort wird ausschließlich von der staatlichen Regierung-Ebene auf die Leute herab geschickt. Niemals kam es von "unten", von den Bürgern selbst, auch nicht aus Theatern, Schauspielhäusern, Zirkuszelten, Film-Ateliers, Museen und Kunstausstellungen. Es kam immer aus dem Mund von Leuten an den Schaltstellen der politischen Macht, von denjenigen, deren Umfeld am laufenden Band in politische Skandale verwickelt ist, auch wenn diese vertuscht, verdeckt, verheimlicht und weg korrumpiert werden. Wir sehen ja dank mutiger Medien immer nur die Spitze des Eisberges. Dort waren Korruption, diktatorische Macht-Konzentrationen mit illegalen Macht-Ansprüchen und -Praktiken unter dem Deckmantel der Demokratie sowie Zockerei mit Milliarden in Landesbanken aufkosten des Steuerzahlers zu Hause. (3) Wo Landesbanken von der politischen Kommando-Ebene zu Leichtsinn mit fremden Geld in unvorstellbaren Dimensionen angestiftet, angeleitet wurden, von dort  kam auch das Wort "Leitkultur".



Anmerkung2

Berichte, Meldungen, Augenzeugen-Dokumente sind in der Regel wahr und wahrhaftig, wenn sie mit viel erfahrenem Leid verknüpft sind. Einige solcher Dokumente passen, auch wenn sie weit zurück liegen, gut in diese Diskussion hinein, über Integration mithilfe dieser schrecklich verlogenen "Leitkultur". Aus einem solchen Dokument, veröffentlicht im SPON, will ich zitieren. Es handelt sich um einen Bericht von Elie Wiesel, KZ-Überlebender in Buchenwald, um den letzten Satz, nachdem er die Befreiung durch die US-Amerikaner beschrieb:
Am zweiten Tag sah ich einen schwarzen US-Soldaten, der erstmals dieses ganze Elend im Lager wahrnahm. Er weinte und weinte hemmungslos - und verfluchte die Nazis zugleich.
Das Nürnberger Kriegsverbrecher-Tribunal gegen Nazi-Größen unter-mauerte seine Anklagen mit Tonnen von Belegen. Die Akribie war überhaupt einzigartig. Trotzdem wurden die Urteile von deutschen Gerichten nie anerkannt. Den oben beschriebenen Schwarzen würde ich als "besonders wertvoll" hinsichtlich seiner Menschlichkeit einstufen, die deutschen Gerichte in gleicher Hinsicht als schäbig. Die Urteile müssen anerkannt werden. Nicht andere, nein die Deutschen selbst benötigen eine Art Leitkultur des Anstands.


(3)
Nun auch die Sachsen LB; heute, am 11/Sept/2001, wird über sie berichtet.

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