Sonntag, 12. Juni 2011

Deutscher Völkermord an Russen, so in Leningrad, das meine Autorin Lada Nikolenko erlebte


Als 26/27-jährige junge Frau überlebte die spätere Weltbürgerin, Autorin und Wissenschaftlerin Lada Nikolenko die deutsche Belagerung von Leningrad. Vor Ende der schrecklichen 900 Tage am Rande des Todes wurde sie wie viele Leningrader in den Süden Russlands evakuiert.

Lada Nikolenko - eine Weltbürgerin, Autorin, Wissenschaftlerin, die lange Jahre in New York lebte, verheiratet mit einem russischen Kunstmaler, die in München am Zentralinstitut für Kunstgeschichte europäische Malerei mit Schwerpunkt auf Adelsportraits bearbeitete und ein Schönheiten-Archiv schuf, das die jeweiligen Schönheiten jeder Generation in Europa anhand ihrer Resonanz in der Kunst erforschte. Sie fand diese Personen im Kontext ihrer Zeitgeschichte heraus und sammelte alle verfügbaren Quellen im Laufe ihrer Jahrzehnte langen Forschung-Tätigkeit. Eines ihrer Hauptwerke, Pierre Mignard, veröffentlichte sie in meinem kulturhistorischen Verlag, den ich 1977 gegründet hatte. Die Kollage lässt einen Engel des Buch-Covers in das grauenhafte Geschehen hineinschauen. Dieser Engel,  gemalt von Pierre Mignard (1612-1695), scheint Lada beschützt zu haben.

Dr. Lada Rostislawna Nikolenko, geborene Rostislawowna. Sie wurde 1915 in Taganrog am Asowschen Meer als Mitglied einer verarmten Adelsfamilie geboren, wie mündlich überliefert wurde. Sie wuchs in Petrograd (St. Petersburg) auf. Sie durchlebte die großen Schrecken dieses Jahrhunderts, Krieg, Hunger und kommunistische Verfolgung: Nach dem 8. September 1941 überlebte sie die deutsche Belagerung von Leningrad. Zu Beginn der Belagerung, die Ausrottung anstrebte, war sie eine junge attraktive Frau im Alter von 26 Jahren. Vor Ende der schrecklichen 900 Tage am Rande des Todes wurde sie wie viele Leningrader in den Süden Russlands evakuiert.

Nun erchien gestern ein Spiegel-Online Bericht über den "Massenmord" in der Kornkammer Russland und auch über die Belagerung Leningrads, der die Motivation Hitlers und die Logistik seiner Landeroberung im Osten, verbunden mit einer geplanten "Dezimierung" der dortigen Bevölkerung um 30 Millionen, einem geplanten Völkermord also, herausstellt. Man sollte zugleich auch den Wikipedia-Artikel über die Belagerung Leningrads lesen.

Schon zwei Monate nach dem Überfall auf die Sowjetunion begann die Wehrmacht, Leningrad systematisch auszuhungern statt zu erobern. 500.000 Soldaten der Heeresgruppe Nord kesselten die ehemalige Residenz der russischen Fürsten ein. Zerstört vom Hagel der Artillerie und den Bomben der Luftwaffe hätte die Wehrmacht die Stadt einnehmen können. Doch Hitler befahl persönlich, dass selbst bei einer Kapitulation "kein einziger deutscher Soldat" Leningrad betreten solle, um die Menschen dort nicht ernähren zu müssen. An der "Erhaltung" der dreieinhalb Millionen Einwohner, wie er das Todesurteil für Hunderttausende euphemistisch nannte, bestehe "kein Interesse". 
Insgesamt 871 Tage hielten die Deutschen den Ring um der Stadt aufrecht. In Leningrad spiele sich "ein Stadtdrama ab, wie es die Geschichte noch nicht gekannt hat", notierte Goebbels nicht ohne Stolz. In ihrer Verzweiflung mordeten die Eingeschlossenen für ein paar Gramm Brot, sie aßen Zeitungen, Schimmel, Ratten, ja selbst Menschenfleisch. 500 mutmaßliche Kannibalen wurden standrechtlich erschossen. Geschwächt von der Unterernährung und Temperaturen von minus 40 Grad überlebten mehr als eine Millionen Menschen die Blockade nicht. 
420 Kalorien am Tag 
Leningrad war nur die konsequenteste Umsetzung der deutschen Hungerpolitik. Auch in anderen Städten schwangen sich die deutschen Behörden zum Richter über Leben und Tod auf und ließen systematisch "überflüssige Esser" verhungern. Sie erstellten penible Pläne, wer wie viel Essen erhielt: Gesunde Arbeiter, die für die Besatzer noch schuften konnten, wurden besser versorgt. Kranke, Schwache oder Juden erhielten hingegen oft nur die Hälfte der ohnehin kargen Rationen, die in Weißrussland zeitweise bei 420 Kalorien am Tag lagen. Und Dörfer, die nach Einschätzung der deutschen Verwaltung zu wenig Ertrag abwarfen, wurden unter dem Vorwurf der Partisanenbekämpfung oftmals abgebrannt und ihre Bewohner verschleppt oder erschossen.
Den Besatzern mangelte es hingegen selten an Verpflegung. Sie schickte Züge voller Getreide ins Deutsche Reich. Als im weißrussischen Brest 1942 die Brotration für die Bevölkerung auf 100 Gramm gesenkt wurde, verfütterte die örtliche Verpflegungsstelle des Heeres noch Roggen und Weizen an ihre Pferde. Und während Wehrmachtssoldaten ihren Angehörigen Verpflegungspäckchen schickten und in Feldpostbriefen von Fressgelagen schwärmten, starben allein bis Mai 1942 mehr als zwei Millionen russische Kriegsgefangene, viele von ihnen an Hunger. Langfristig, so das Kalkül der Nationalsozialisten, sollten die Millionen Tote Platz machen für die Neubesiedlung des Ostens durch die "arische Herrenrasse". 
Und Herbert Backe, der Diplomlandwirt, der maßgeblich an der Planung dieser Hungerpolitik beteiligt war? Er wusste von Beginn an, dass er ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hatte. Man müsse gut aufpassen, schrieb er 1941 über seine Ernährungsplanspiele, dass der Feind nichts mitbekomme: "Er darf nicht zitieren können", nur gesprochenes Wort sei "unschädlich". 
Trotz aller Vorsicht wurde Backe, 1944 noch zum Reichsminister für Ernährung aufgestiegen, nach dem Krieg verhaftet und sollte in Nürnberg vor Gericht gestellt werden. Kurz vor Prozessbeginn hängte er sich in seiner Gefängniszelle auf.

Niemals werde ich begreifen, wie sich Deutsche von einem Scharlatan Hitler derart verführen ließen. In seiner Schrift "Mein Kampf" beschrieb er die spätere grausige Realität bereits mit dem Begriff der Schaffung von Lebens-Raum für die Deutschen im Osten. Polen war auf diesem Weg bestenfalls ein Stolperstein. Seine Polen-Diplomatie vor seinem Angriff suchte nach Gründen und fand sie in den nationalistischen Verfehlungen der Polen gegen seine Minderheiten. Die Angelsachsen ließen sich nicht blenden. Aber die deutsche Bevölkerung ließ sich blenden. Ihnen wurde gesagt, sie seien etwas Besseres als andere Menschen anderer Völker.

Das Leid der Russen kam von zwei Seiten, auch von der Unterdrückung durch Stalin, der nach Belieben liquidierte, umsiedelte, in Gulags einsperrte, folterte und ganze Armeen durch Fehlplanung opferte. Unter ihm bekamen Russen zu verstehen: ihr seid nichts, nichts wert.

Überheblichkeit hier und Entwürdigung da, Verzerrung des Menschen und Rechtlosigkeit, die Grimasse der Nazis und die Gewissenlosigkeit der Kommunisten, beide Weltbilder waren fatal für die Geschichte und für Millionen von Menschen. Ignoranz des Menschlichen triumphierte.

Die Ignoranz des Menschlichen bestimmt auch heute das Geschehen. Die Macht-bewussten Charaktere, vorwiegend in der Politik und in den Parteien, glaubten heute, als neue "Herrenmenschen" mit Verfügungsgewalt über das Steueraufkommen Wertpapiere und Devirate in unvorstellbarem Ausmaß für erträumte Renditen einkaufen zu dürfen. Tummelplatz der elitären Zockerei waren die gefügigen und Parteien-unterwanderten Landesbanken. Sie machten sich vor, nur gewinnen zu können - und wurden die düpierten Verlierer aufkosten anderer. Nach katastrophalen Verlusten verstecken sie sich und versuchen, Gras über die Sache wachsen zu lassen. Gleichzeitig versuchen sie, auf andere Weise abzusahnen, wieder aufkosten anderer Bürger und aufkosten der Kultur, Erziehung und kommender Generationen.

Menschen wie Lada Nikolenko und Nikolai Iosifowitsch Nikolenko halten dagegen, durch ihre Art und ihr Werk. Sie sind/waren Juwelen der Menschlichkeit und Koryphäen in ihren Berufen. Einen Eindruck mag eines der Gemälde von Nikolai vermitteln. Er malte hier eine Gruppe Pferde, die an etruskische Kunst erinnern, stilisiert,


Bronzenes etruskisches Pferd, Grabbeilage, 600 v. Chr.

plastisch wie ein antikes Relief, farbig stimmig wie Pompejanische oder etruskische Wandmalerei. Anders als die Pferde Alexander des Großen auf dem berühmten Alexander-Mosaik im National-Museum in Neapel, die nach rechts stürmen und den Wagen des Darius rechts aus dem Bild treiben, "fliehen" die Pferde auf dem Bild von Nikolai von rechts nach links. Die "aktive" Richtung griechischer und römischer Schreib-Schrift verläuft von links nach rechts. Die umgekehrte Richtung ist nach abendländischem Bild-Verständnis eine Rückwärts-Bewegung, ein Fliehen in die falsche Richtung. So ging es Nikolai selbst, als er versuchte, vor den kommunistischen Häschern zu fliehen. Sie holten ihn ein und kehrten die Richtung um: er wurde in ein Arbeitslager, ein Gulag, abgeführt. Die Pferde könnten eventuell die erfolglose Flucht so vieler Russen vor der kommunistischen Verfolgung darstellen. Ich denke, mit dieser Interpretation nicht zu weit zu gehen. Das gelebte Leben selbst drängt diese Deutung auf. Die Schweife der beiden letzten Pferde der Gruppe formen sich zu Pegasus, dem geflügelten antiken Pferd, das die Flucht zum Erfolg beflügeln soll. Über dem Boden setzen sich die Beine vor dem hellen Hintergrund ab, so dass ein Dahindonnern förmlich hörbar wird. Die Zungen der gehetzten Tiere hängen etwas heraus. (Absatz und Bilder am 18/Juni/2011 eingefügt)



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Nikolai Iosifowitsch Nikolenko:  Fliehende Pferde, 53.5cm x 132 cm, Mischtechnik, Öl, Signatur auf der Rückseite

Vor einiger Zeit erhielt ich einen Brief von Oxana Antic (1) mit näheren Details aus dem Leben beider. Auch Nikolai darf nicht in Vergessenheit geraten. Es lohnt sich ihn zu würdigen, zumal seine Bilder auch aus kunsthistorischer Sicht wichtig sind.
Nikolai Iosifowitsch Nikolenko, ein Maler, Buchillustrator und Möbelrestaurator  war, wie so viele Russen, die die Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg verlassen haben, ein Mann mit einem besonders tragischen Schicksal. Am 10.September 1912 in einem kleinen Dorf bei Elisawetgrad geboren, wurde er früh zur Waise, denn sein Vater, ein orthodoxer Pfarrer, wurde in  den Zwanzigern, wie viele Millionen ,  grundlos verhaftet und kam in den Konzentrationslagern Sibiriens um. Auch die  Mutter wurde als „Frau eines Klassenfeindes“  verhaftet und nach Sibirien verbannt.
Der junge Mann fühlte sich zum Maler berufen und  begann ein Studium   an der Kiewer Kunstakademie bei Professor Boichuk, der sich zum Ziel gesetzt hatte, die Tradition der monumentalen byzantinischen Malerei für die moderne Kunst wieder zu beleben. Doch auch der Professor wurde verhaftet und starb in den Konzentrationslagern. Damit ihn nicht das gleiche Schicksal trifft, floh Nikolenko  in den Kaukasus, wo er sich einige Zeit verstecken konnte. Später gelang  es ihm, als  Matrose auf einem Handelsschiff anzuheuern. Sein Versuch, bei einem Aufenthalt  in Istanbul dort zu bleiben und nicht in die Sowjetunion zurückzukehren,   scheiterte, da die türkischen Behörden ihm jegliche Unterstützung verweigerten. 1933 wurde er schließlich  verhaftet, gefoltert und in ein Konzentrationslager auf der Halbinsel  Kolyma gebracht. Nachdem er seine  sechs Jahre Zwangsarbeit hinter sich gebracht hatte,   wurde er entlassen und es gelang ihm,  bei einem Theater als Kulissenmaler unterzukommen. Als der  Zweite Weltkrieg ausbrach, wurden  ehemalige politische Häftlinge beim Entminen eingesetzt, auch Nikolenko gehörte dazu. Er geriet in deutsche Gefangenschaft und kam nach  Dresden, wo er den schweren Bombenangriff der Allierten überlebte.
Nach dem Ende des Krieges blieb der heimatlose Russe in Deutschland (2) und es gelang  ihm, in einer vom bekannten russischen Maler  G. Kiwerow  in Hamburg neu gegründeten Ikonenwerkstatt  Beschäftigung zu finden. (Kiwerow lebte später in München, wo seine romantisch beseelten Bilder auf Ausstellungen  sehr bewundert worden sind.) In Hamburg traf Nikolai Nikolenko seine zukünftige Frau – die Kunsthistorikerin  Dr. Lada Rostislawowna Gontscharowa. Sie heirateten und wanderten 1950, wie die meisten russischen Flüchtlinge,  in die U.S.A. aus, wo Nikolai Iosifowitsch erfolgreich  als Möbelrestaurator arbeitete. Doch seine  Herzerkrankung verschlimmerte sich so drastisch, dass das Ehepaar nach 20 Jahren den Beschluss fasste, nach Deutschland zurückzukehren. Frau Lada meinte, dass das Leben im „alten Europa“ und speziell in München weniger aufreibend sei als in New York.  
Wir lernten das Ehepaar Nikolenko Ende der sechziger Jahre in München kennen und entdeckten viele gemeinsame Interessen: russische Kunst, russische Geschichte,  russische Literatur (Frau Nikolenko, Dr. der Literaturwissenschaften,   war weitläufig mit dem Schriftsteller Iwan Gontscharow, dem Autor von „Oblomow“ verwandt), und das Leben in New York, wo  auch wir mehrere Jahre gewohnt hatten).
Nikolai Iosifowitsch schlug mir vor, mich von ihm malen zu lassen. Er  malte von mir zwei Porträts: das eine im Abendkleid mit Abendfrisur und das Andere in Tageskleidung. Es war immer ein  Freude für mich, bei den Sitzungen einige Stunden bei Nikolenkos zu verbringen. Nikolai Iosifowitsch hat immer das Mittagessen zubereitet: es gab mit Gemüse gebackenen Fisch. Es war sein Standardgericht und schmecke köstlich.  Die Porträts habe ich später den beiden mit mir „befreundeten“ russischen Museen:  dem Stadtmuseum in Millerowo und dem Museum der Geschichte der Donkosaken in Nowotscherkassk zum Geschenk gemacht. Sechs seiner beeindruckenden Bilder von Rom befinden sich im Privatbesitz und stehen frei zum Verkauf.
Nikolai Iosifowitsch war ein interessanter, eigenwilliger Künstler und ein sehr wertvoller Mensch, das Gegenteil eines Blenders, wie man es bei Künstlern manchmal treffen kann. Er  war sehr bescheiden im Auftreten und strahlte eine vornehme Zurückhaltung aus, gepaart mit echter Herzlichkeit. Man konnte sich mit ihm wunderbar „unter vier Augen“ unterhalten, in Gesellschaft ließ er immer seiner Frau den Vortritt, unserer verehrten und bewunderten Lada Nikolaewna, die, echt weiblich, auch kapriziös sein konnte.
Sie nannte sich „die letzte Hedonistin“, was traurig klang, aber gewiss stimmte,  mich nannte sie „Parfetka“. Es klang zwar nett, aber ich kannte das Wort nicht und konnte es auch in Wörterbüchern nicht finden. Erst jetzt ist mir eingefallen, dass Frau Lada das französische Wort „parfait“ (vollendet) einfach auf russische Art ummodelte..
Meiner Meinung nach habe ich in Frau Nikolenko die letzte Verkörperung einer echten russischen Dame getroffen, die das Unglück gehabt hat, während der sowjetischen Herrschaft in Russland zu leben. Ein Wunder, dass sie diese Zeit überhaupt überlebt hat, denn ihr erster Mann ist, frisch verheiratet,  während einer Zugfahrt verhaftet worden und war seitdem verschollen. Wie viele Tausende Leningrader, wurde auch Lada Rostislawowna während der Blockade in den Süden Russlands evakuiert und floh in den Westen, als die Wehrmacht den Rückzug angetreten hatte. Ich habe außer Frau Nikolenko, niemanden aus meiner, der so- genannten Zweiten Emigration (der Exodus der Sowjetrussen nach Deutschland aus den von der Wehrmacht besetzen Gebieten ) getroffen, der so vollendet wie sie die Kultur des untergegangenen russischen Zarenreiches verkörpert hat.
Ihre Führungen in der alten Pinakothek waren stadtbekannt, alle, die sie erlebt hatten, waren zutiefst beeindruckt von ihrem Wissen und ihrer Hingabe an die Materie.1974 konnte die Kunsthistorikerin  einen großen Erfolg verzeichnen: der renommierte Verlag „C.Bertelsmann“ hat ihren autobiografischen Roman „Wie Staub aus der Steppe“ veröffentlicht. Ich kann mich gut erinnern, wie aufgelöst Lada Rostislawowna mit ihrem Roman in der Hand zu mir gekommen ist und sich bitterlich darüber beklagte, dass der Verlag anstatt ihres neutralen Titels so etwas wie „Seiten eines Lebens“,  dem Buch  den Titel „Wie Staub aus der Steppe“ gegeben  hat.  „Was für ein Unsinn,  Xana!“, sie war den Tränen nahe. „Ich habe wie eine Löwin gekämpft! Sie könnten so einen Titel für Ihr Buch benutzen. Sie kommen  ja aus den Steppen (ich bin in Taganrog am Asowschen Meer geboren), aber ich bin doch eine Petersburgerin! Wo gibt es denn  da  Staub aus der Steppe???“ Ich musste lachen und habe sie  getröstet, dass der Inhalt in jedem Fall  wichtiger sei als der Titel, aber sie hatte natürlich völlig Recht. 
Leider sind Nikolai Iosifowitsch nur fünf Jahre in München vergönnt gewesen. Er verstarb an seiner schweren Herzkrankheit am 14.Mai 1975. Die renommierte russische Zeitschrift „Possev“  (Frankfurt am Main)  brachte unter der Überschrift „Zum Gedächtnis eines Freundes“ einen Nachruf,  in dem die Redaktion den Tod ihres „wertvollen Mitarbeiters und großartigen Menschen“  betrauerte und die Bücher der bedeutenden Exil-Autoren aufzählte, die Nikolai Nikolenko für den Possev-Verlag illustriert hatte.
Wie es bei allen schöpferischen Menschen der Fall ist, half Frau Nikolenko ihre Arbeit, über diesen schweren Verlust hinwegzukommen. Sie schrieb in englischer Sprache die Biografie des bedeutendsten  Porträtmalers des Grand Siecle (17. Jahrhundert) „Pierrre Mignard – the portrait painter of the grand siecle“. Der Bildband erschien 1982 /83 im Verlag Nitz, München. Frau Lada schrieb uns als Widmung: „Für meine Freunde, nicht zum Lesen, zur Erinnerung“. Aber ich habe das Buch gelesen und die schönen Porträts sehr bewundert.                           
Als Frau Tatjana Lukina im September 1991 „MIR – Zentrum russischer Kultur in München“, gründete, gehörte Frau Nikolenko  zu den sieben Gründungs-mitgliedern. Im Mai 1996 gab MIR das Buch „Die schönen Russinnen“ von Lada Nikolenko heraus. Es stellte acht der Schönheiten aus ihrer umfassenden Sammlung von Biografien von berühmten Schönheiten vor, die auf welche Weise auch immer, eine Spur in der Welt hinterlassen haben.

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(1)
Oxana Antic: Das "Russische München" der Nachkriegszeit - Mein Vater Michail Alexandrowitsch Miller - Ein russischer Archäologe in München; in: Russische Spuren in Bayern - Portraits, Geschichten, Erinnerungen;  verschiedene Autoren, Herausgeber: MIR e.V. (Deutschland), München 1997

(2)
Nikolai und Lada Nikolenko können als Russen der "Zweiten Migration" bezeichnet werden, die der Kommunismus direkt oder indirekt aus Russland verdrängte.

Auf die Minute genau zu diesen Berichten erschien soeben ein Spiegel-Online-Artikel.

Dieser Artikel mit neuen Quellen belegt, wenn auch oft nur zwischen den Zeilen, dass die deutsche Wehrmacht in Russland nicht homogen war. Es gab den "ritterlichen" deutschen Offizier, nicht nur diejenigen, die sich zum Morden einspannen ließen. Davon berichtete auch meine langjährige und längst verstorbene geistige Freundin, die behinderte lettische Malerin Olga Kunzite. Sie war ebenfalls, wie auch Nikolai, eine Persönlichkeit, die sich für das "Vieraugen-Gespräch" eignete, weil sie menschlichen Tiefgang hatte, als Mensch und als Künstlerin mit einer Top-Ausbildung in Riga, humanistischem Abitur und bestem Abschluss an der Kunsthochschule Riga. Auch sie gehörte zu dieser "zweiten Migration", auf der Flucht vor dem Kommunismus, bewohnte ab 1945/46 ein Zimmer in der ehemaligen Meesen-Kaserne in Lübeck. Später unterstützte ich sie, als sie eine Wohnung in Ahrensburg in einem Hochhaus am Bahnhof bezog. Dort war sie heraus aus der lettischen "Enklave" und vollende ihr malerisches Lebenswerk. Eine Ausstellung im Rathaus Ahrensburg durfte ich eröffnen.

Von ihr also lernte ich die dominierende Opposition gegen den Kommunismus kennen, gegen das Spitzel-System bis in die Familien hinein. Dementsprechend misstraute sie der 68er Bewegung an deutschen Universitäten. "Alles wiederholt sich", sagte sie damals.

Kollaborateure waren Russen und Letten nicht, nicht so wie in Frankreich. Sie hatten gute Gründe gegen die Grausamkeiten und Verfolgungen des Kommunismus. Ihnen war die gute Seite deutscher Militär-Strukturen,  die ihnen Befreiung versprachen, damals näher als Stalin. An der Leiden-Geschichte von Nicolai lässt sich im Detail ablesen, wie grausam der Stalinismus war. Die mitgeteilten Erfahrungen der Malerin Olga Kunzite bestätigten all das.

1 Kommentar:

partnervermittlung russland hat gesagt…

Um ehrlich zu sein, konnte ich mir nicht vorstellen wie schwierig es ist, Informationen zu finden über obiges Thema. Ich brauchte einige Stunden bevor ich auf eure Seite gestossen bin.